Das Herz der Toskana

Val d’Orcia

Die reizvolle Landschafte des Val d’Orcia liegt im südöstlichen Teil der Toskana in der italienischen Provinz Siena. Die Gegend wird bestimmt von weitläufige Ebenen, aus denen kegelförmige Hügel herausragen. Das Gebiet ist relativ dünn besiedelt. Kleine mittelalterliche Städte befinden sich überwiegend entlang der Via Cassia, während die Hügel oft von malerischen Dörfern, Weingütern oder Burgen gekrönt werden. Die Flanken der abgerundeten Bergkuppen sind von Weinbergen, Olivenhainen, Buchen- und Kastanienwäldern bedeckt. Zwischen den Getreide- und Sonnenblumenfeldern in der Ebene tauchen immer wieder Zypressenalleen, Bauernhöfe und kleine Landkirchen auf, die im Val d’Orcia das klassische Landschaftsbild prägen.

Eine Landschaft ist Weltkulturerbe

Das Tal erstreckt sich vom Bergmassiv des Monte Amiata (1.738 m ü. NN) im Süden bis zur Ortschaft Buonconvento im Landschaftsteil Crete Senesi im Norden. Von hier sind es noch rund 30 km bis zur Provinzhauptstadt Siena. Die Hauptverkehrsader im Tal bildet die historische römische Via Cassia, die in NW-SE-Richtung durch das Val d’Orcia verläuft. Der namensgebende Fluss Orcia durchquert die wellige Hügellandschaft von Osten nach Westen und mündet bei Borgo Santa Rita in den Ombrone. In den heißen Sommermonaten trocknet das Flussbett teilweise vollständig aus. Die erloschenen Vulkanberge von Amiata und Radicofani bestehen aus dunklen Lavagesteinen, die Mehrzahl der Hügel wird jedoch aus hellen Kalksteinen („Biancane“) aufgebaut. Ein typisches geomorphologisches Erscheinungsbild in den ockerfarbenen Sanden und Lehmen des flachen Talraumes sind Erosionsrinnen („Calanchi“), die durch heftige Regenfälle besonders in den Monaten März/April bzw. November/Dezember entstehen. Die verschiedenen Gesteinsfarben und das milde Sonnenlicht in Verbindung mit den grünen Wäldern und dem Gelb der Felder beeindruckten bereits im 14. Jahrhundert zahlreiche Maler, die in ihren Bildern die reizvollen Landschaftsfärbungen zu den unterschiedlichen Jahreszeiten festhielten. Der Erhalt dieser sanften Naturlandschaft trotz einer intensiven Nutzung hat im Jahr 2004 zur Anerkennung des Val d’Orcia als UNESCO-Weltkulturerbe geführt. Trotz seiner landschaftlichen Schönheiten ist das Val d’Orcia nicht überlaufen, es gibt kaum spürbare negative Auswirkungen durch den Tourismus, wie man das in der Hauptreisezeit aus Florenz oder Pisa kennt. Die Region ist deshalb sehr gut geeignet für einen ruhigen, kulturell und kulinarisch interessanten Urlaub.


Die Geschichte des Val d’Orcia

Die ersten festen Ansiedlungen im Val d’Orcia stammen aus der Zeit der Etrusker (600-100 v. Chr.), die in der gesamten Region zahlreiche Bauwerke und Grabstätten hinterlassen haben. Danach folgten die Römer und die Langobarden als Herrscher über das Gebiet. Im frühen Mittelalter werden erstmals Ortschaften im Tal schriftlich erwähnt. Es handelt sich dabei um kleine Siedlungen im Umfeld von Klöstern oder Festungen. Die Dorfgründungen erfolgten überwiegend zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert. Zu dieser Zeit waren weite Teile des Val d’Orcia im Besitz der Benediktinerklöster San Salvatore (Monte Amiata) und Sant’Antimo (Montalcino). Ab dem 10. Jahrhundert gewann die Herrscherfamilie der Aldobrandeschi in der Region zunehmend an Macht, die sie bis zum Ende des 12. Jahrhunderts als Feudalherren ausübten. Danach übernahm die Republik Siena mit einflussreichen Familien wie Piccolomini und Salimbeni die Herrschaft über das Territorium des Val d’Orcia. Durch die endgültige Niederlage Sienas 1553 im Krieg gegen Florenz fiel das Tal an die Florentiner und wurde nach dem Frieden von Cateau-Cambrésis im Jahr 1559 in das Großherzogtum Toskana eingegliedert. Die Familie der Medici verbesserte die Infrastruktur rund um die Via Cassia und entwickelte die Grundlagen für die landwirtschaftlichen Nutzungen, die heute das Landschaftsbild im Tal bestimmen.


Ortschaften im Val d’Orcia

Buonconvento

Die beschauliche Kleinstadt Buonconvento (3.232 Einwohner) bildet den nördlichen Abschluss des Val d’Orcia. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind Weinbau und Fremdenverkehr. Sehenswert ist die gut erhaltene Altstadt aus dem 14. Jahrhundert. Sie beherbergt mehrere Palazzi und Villen reicher Familien. Im Palazzo Ricci befindet sich ein Museum für sakrale Kunst der Region. Insgesamt gibt es in Buonconvento sechs Kirchenbauten, die zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert errichtet wurden. Weitere Sehenswürdigkeiten sind das nördliche Stadttor Porta Senese, die Burg Castello di Bibbiano und der Stadtturm Torre Civica. Einen Besuch wert ist ebenfalls die rund 10 km entfernte Stammabtei der Olivetaner Monte Oliveto Maggiore.

Castiglione d’Orcia

Die kleine Stadt Castiglione d’Orcia (2.125 Einwohner) liegt auf einem Felsen in einer Höhe von 540 m ü. NN über dem mittleren Orciatal. Der Aussichtspunkt Belvedere bietet einen spektakulären Rundblick über das ganze Tal. Neben den größeren Ortsteilen Bagni San Filippo, Campiglia d’Orcia, Rocca d’Orcia und Vivo d’Orcia umfasst das Gemeindegebiet zusätzlich mehrere kleine Ansiedlungen mit teilweise nur 15-20 Bewohnern. Die vielen Siedlungskerne sind auch die Ursache für die bemerkenswert hohe Anzahl an Kirchen. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören die Burg Ripa d’Orcia aus dem 13. Jahrhundert und der Rathausplatz Il Vecchietta im historischen Ortskern. Das Dorf Vivo d’Orcia bietet Wanderern einen malerischen Waldteich mit Picknick- und Grillplatz als Ausflugsziel.

San Quirico d’Orcia

San Quirico d’Orcia (2.684 Einwohner) liegt verkehrsgünstig an der Via Cassia rund 35 km südlich von Siena, die Kleinstadt ist bekannt für ihre ungewöhnlichen Portalanlagen. Der sehenswerte Ortskern wird von einer Stadtmauer mit malerischen Türmen umgeben. Rund um den Hauptplatz Piazza della Libertá mit dem Palazzo Chigi (17. Jahrhundert) gibt es zahlreiche Gemüse-, Feinkost- und Lebensmittelläden sowie Cafés, Bars und Restaurants. Eine Oase der Ruhe stellt der Barockgarten Horti Leoni dar, während die romanische Stiftskirche La Collegiata besonders durch ihre interessanten Portale mit Tieren und Fabelwesen beeindruckt.

Pienza

Die Kleinstadt Pienza (2.125 Einwohner) befindet sich auf einem 490 m ü. NN hohen Hügel am nordöstlichen Talhang. Der historische Ortskern gehört bereits seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Papst Pius II. ließ seinen Geburtsort in den Jahren 1459-64 zu einer Planstadt umgestalten. Neues Zentrum wurde der Stadtplatz, der seinen Namen erhielt – Piazza Pio II. mit einem Ensemble der vier Hauptbauwerken Dom, Rathaus, Palazzo Piccolomini und Palazzo Vescovile. Bemerkenswert sind ebenfalls die Kirche San Francesco auf den Grundmauern des 8. Jahrhunderts und der Ammannati- sowie der Gonzaga-Palast. Das bekannteste Erzeugnis von Pienza ist der Pecorino-Käse, dessen Geruch im Sommer die ganze Stadt durchzieht.

Montepulciano

Die Stadt Montepulciano (14.290 Einwohner) liegt sehr malerisch zwischen Val di Chiana und Val d’Orcia auf einer Hügelkuppe (605 m ü. NN) rund 45 km südöstlich von Siena. Eine mittelalterliche Stadtmauer umgibt die pittoreske Altstadt mit Bauwerken aus der Renaissance. Sehenswert sind die Kirchen Santa Maria und Madonna di San Biagio, der Palazzo Pubblico und die Burganlage. Eine wichtige Rolle spielt in Montepulciano der Weinbau, den Kennern ist besonders der Vino Nobile di Montepulciano ein Begriff.

Montalcino

Die Stadt Montalcino (5.127 Einwohner) befindet sich auf einem langgestreckten Hügel zwischen den Flusstälern von Ombrone und Orcia westlich der Via Cassia. Das Stadtgebiet mit einer Fläche von 243 km² umfasst den Hauptort Montalcino (567 m ü. NN) und sieben weitere Ortsteile, die sich über den abgerundeten Höhenrücken verteilen. Als in der Geschichte heftig umkämpfte Stadt besitzt Montalcino noch heute die mittelalterlichen Wehranlagen Fortezza, Castiglion del Bosco und Poggio alle Mura sowie eine Stadtmauer. Im Gemeindegebiet gibt es insgesamt 13 Kirchen und Sakralbauten. Am bekanntesten sind die Abtei Sant’Antimo, die Konkathedrale Duomo di Montalcino und die Kirche Santi Filippo e Giacomo. Ein sehenswerter Profanbau ist der Palazzo dei Priori mit Turm und Loggia (13./14. Jahrhundert). Montalcino wurde durch den Weinbau zu einem weltberühmten Weinort, das Spitzenprodukt stellt der Rotwein Brunello di Montalcino dar.

Radicofani

Die Kleinstadt Radicofani (1.148 Einwohner) liegt an den Hängen des Berges Rocca di Radicofani (896 m ü. NN) am südlichen Ende des Val d’Orcia. Die Bedeutung des Ortes als militärischer Stützpunkt beweist die Festungsruine auf dem Berggipfel; seit dem Jahr 1999 ist die Burganlage mit integriertem Museum öffentlich zugänglich und ergänzt das mittelalterliche Erscheinungsbild von Radicofani. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören ebenfalls die Kirchen San Pietro, Sant’Agata und Santa Maria Assunta a Contignano.


Freizeitmöglichkeiten im Val d’Orcia

Besonders im Frühjahr und Herbst gilt das Val d’Orcia als ausgezeichnetes Wanderrevier. In den heißen Sommermonaten können die Wanderungen zu Aussichtspunkten oder Bergdörfern aufgrund des fehlenden Schattens jedoch anstrengend werden. Ähnlich verhält es sich bei Radtouren mit dem Rennrad oder dem Mountainbike. Wesentlich angenehmer z. B. für Hobbyfotografen sind Erkundungstouren durch das Orciatal auf einer Vespa. Als Abwechslung bieten Reiterhöfe auch Ausritte mit Reitpferden an. Neben den kulturellen Höhepunkten schätzen viele Urlauber die natürlichen Thermalbäder mit ihren bis zu 52 °C heißen, schwefelhaltigen Quellen, die im Umfeld der erloschenen Vulkane entspringen. Zu den beliebtesten Thermalkurorten im Val d’Orcia gehören Bagno Vignoni und Bagni San Filippo. Lohnende Ausflugsziele in der weiteren Umgebung stellen auch die alten Bergwerke am Monte Amiata, das Chianti-Gebiet, die Maremma an der toskanischen Küste und der Lago di Bolsena dar.


Souvenirs aus dem Val d’Orcia

Als lokale kulinarische Reiseandenken sind Pecorino, Olivenöl, Safran, Honig und Rotwein zu empfehlen. Beim Verkosten zuhause entsteht dann wieder das Urlaubsgefühl – „… wie im Val d’Orcia“.